Buchneuerscheinungen 2016:
“Confidence Code“ von Katty Kay und Claire Shipman
Die beiden Reporterinnen Katty Kay und Claire Shipman sagen in ihrem Buch “Confidence Code“ konkret, was Selbstvertrauen ist, wie es entsteht und wie es erhöht werden kann.
Die beiden Journalistinnen beherrschen ihren Job: aktuellste Informationen aufzuspüren, zusammenzustellen und als Geschichte zu erzählen. In dem Fall eine lange Geschichte, ein Buch. Nach der Lektüre des Buches sieht man den Schwankungen im eigenen Selbstvertrauen etwas gelassener entgegen, und man kennt Mittel und Wege, sein Selbstvertrauen zu stärken und sogar, stärkeres Selbstvertrauen der nächsten Generation zu fördern.
Die enthaltenen Informationen sind fundiert und entstammen den allerneusten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Für ihre Recherche durchquerten Kay & Shipman ganz Amerika, sprachen mit Neurowissenschaftlern, Affenforschern, Genetikern, Christine Lagarde und einer Handvoll anderer beruflich sehr erfolgreicher Frauen.
Verschiedene Definitionen von Selbstvertrauen
In der ersten Hälfte des Buches geht es um das Selbstvertrauen an sich: was ist es denn nun genau, wie wird es bestimmt, und wie äussert es sich? Die Definitionen, Betrachtungsweisen und Tests selbst der Fachleute gehen hier ein wenig auseinander, deshalb werden verschiedene Ansätze diskutiert.
Trotz der beeindruckenden Gewandtheit, mit der die Autorinnen die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Selbstvertrauen weitergeben, ist das Buch nicht im Mindesten abgehoben. Denn die Autorinnnen berichten ganz offen auch über ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle. Man fühlt sich mitgenommen und nahe herangeholt: als Leser kommt man mit auf den Roadtrip, kann sich die Gesprächspartner vorstellen und bangt mit den Journalistinnen, wenn diese auf die Ergebnisse ihrer Gentests warten. Denn die Gene beeinflussen das Selbstvertrauen womöglich zu 50 Prozent. Was aber nicht heisst, dass diese 50 Prozent unveränderbar wären..
Männer haben 20 Prozent mehr Selbstvertrauen im Vergleich zu Frauen
Nach der ersten Hälfte, in der es darum geht, Selbstvertrauen fassbar zu machen, wird im Buch der kleine Unterschied erläutert -der kleine Unterschied von 20%, den Männer und Frauen offenbar im Generellen im Selbstvertrauensniveau haben. Bei allen möglichen Tests, bei denen es um Selbstvertrauen geht, tritt dieser Unterschied von rund 20 Prozent zutage, und er lässt sich NICHT genetisch erklären. Zweifeln Männer im Generellen weniger an sich? Ja. Zumindest gehen sie den Zweifeln an der eigenen Leistung nicht so schonungslos auf den Grund wie Frauen. Sie blenden Kritik aus, zaudern nicht lange und wälzen sich wegen unterlaufenen Fehlern kaum im Nachhinein schlaflos im Bett.
Gewisse psychologische Untersuchungen legen sogar nahe, dass eine Person einen umso höheren sozialen Status hat, je übersteigerter ihr Selbstvertrauen ist und je schamloser sie vorgibt, mehr zu wissen, als tatsächlich der Fall ist. Im Arbeitsumfeld bedeutet das, dass womöglich die am wenigsten kompetenten Leute den grössten Einfluss und Respekt geniessen und viel häufiger befördert werden als ihre kompetenteren Kollegen. Muss man also ein Idiot sein, um Selbstvertrauen zu besitzen? Die Autorinnen deuten diesen frustrierenden Schluss zum Glück um: nein, aber es ist unabdingbar, nebst Kompetenz auch Selbstvertrauen zu besitzen, um erfolgreich in dem zu sein, was man tut.
Gehirnunterschiede zwischen Männern und Frauen
Der Buchteil, in dem es um Hirnforschung geht, ist für weibliche Leser dann doch etwas frustrierend, zumindest empfanden es die Reporterinnen selbst und auch ich so: denn es gibt offenbar tatsächlich Unterschiede in den Gehirnen von Männern und Frauen. Signifikante. So gerne man das auch leugnen würde, so sehr einem diese Ergebnisse gegen den Strich gehen, und so zögerlich die Ergebnisse auch bisher veröffentlicht werden. Diese Forschungsergebnisse sind noch vorläufig und keinesfalls abgeschlossen, aber Gehirnunterschiede führen dazu, dass Frauen mehr grübeln, sich mehr sorgen, weniger gut abschalten können. Und das macht es für Frauen vielleicht wirklich schwieriger, zu handeln. Denn die für mich einleuchtendste Definition von Selbstvertrauen aus dem Buch: “es ist das Zeug, das Gedanken in Handlungen umwandelt.“ Etwas in Angriff zu nehmen, statt nur darüber nachzudenken. Womit wir auch bei den Strategien fürs Selbstvertrauenstraining sind: Schnell scheitern, zum Beispiel. Heisst ohne Zögern etwas ausprobieren und damit womöglich scheitern und sich sagen, ok, was gelernt. Scheitern als einen Schritt nach vorn begreifen. Denn es gibt nur einen Weg, sich das nötige Selbstvertrauen für egal was anzueignen: es einfach zu versuchen, selbst wenn man glaubt, dass es die eigenen Fähigkeiten übersteigt.