Energiegesetz JA oder NEIN?

Morgen wird in der Schweiz über das Energiegesetz abgestimmt.

Ich bin zu sehr Wissenschaftler, um Politik zu mögen. Politik erscheint mir fast wie ein Gegensatz zu Wissenschaft. Denn ich glaube, dass Wissenschaftler sich mehrheitlich darum bemühen, die Wahrheit herauszufinden und wahrheitsgetreue Informationen zu liefern, während es Politikern häufig nur nebensächlich um Wahrheit geht. Oder sie wird sogar komplett verleugnet, wie von Trump(el). Deswegen hätte ich am liebsten niemals und überhaupt nichts mit Politik zu tun. Aber ich musste einsehen, dass Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zum Teil ineinander verzahnt sind, sich gegenseitig beeinflussen. Und das ist auch gut so.
Gut ist auch, dass in der Schweiz jeder und jede seine Stimme abgeben kann. Ich empfinde direkte Demokratie als freiheitlichen Luxus. Den ich erhalten möchte, denn jeder möge sich seine eigenen Gedanken machen und dann entscheiden.
Was ist dran an den Aussagen der Gegner wie Befürworter? Müssen wir wirklich 3200 Stutz pro Haushalt mehr bezahlen, kalt duschen, auf Urlaub verzichten und eine Verschandelung der Landschaft hinnehmen, wenn wir annehmen? Ruiniert uns das neue Gesetz finanziell? Sind wir dann total von Stromimporten abhängig, womit auch unser Geld ins Ausland abwandert, oder müssen wir nach einem “Ja“ ebenfalls Strom aus Kohle herstellen?  Werden damit wahlweise der Mittelstand oder die Büezer um Milliarden beschissen?

Lasst uns schnell einen Blick auf die vorgeschlagenen Gesetzesvorlagen werfen (soviel Zeit haben wir noch)..
(Vorsicht: Gesamtenergie und Strom/Elektrizität nicht verwechseln)

..bezüglich Deckung unseres STROMbedarfs: Wasserkraft, die derzeit (2016) 56% der Stromproduktion abdeckt, soll bis 2035 (wieder) erhöht werden auf 37`400 GWh.
Fakten dazu: 2015 betrug die Produktion durch Wasserkraft 39`500 GWh und damit 60%.
2014 stammten noch rund 70% des Stroms aus Wasserkraft. In den 70er Jahren hat Wasserkraft etwa 90% des Strombedarfs gedeckt. Um die Zielzahl zu erreichen, benötigen wir keinen Ausbau.
Eine Verschandelung der Landschaft wird also aus diesem Grunde nicht zustande kommen.
Zur Technologie: Es gibt Laufwasser- und Speicherkraftwerke. In Speicherkraftwerken kann Strom durch Hochpumpen von Wasser in den Stausee sozusagen gespeichert werden. Kritiker der Technologie bringen an, dass der Strom fürs Pumpen mengenmässig dem produzierten Strom gleichkomme und dazu Atomstrom verwendet werde. Zahlen dazu: 2015 verbrauchte das Hochpumpen 2`300 GWh, während Wasserkraft in dem Jahr 39`500 GWh produzierte.

…die alternativen Energien (Solar, Wind, Biomasse, Wärme) sollen bis 2020 auf 4400 GWh und bis 2035 auf 11`400 GWh ausgebaut werden.
Überlegungen dazu:
Heute sind es 2800 GWh, die über erneuerbare Energien produziert werden.
-Apropos Verschandelung der Landschaft: konkreten Plänen für die Komplettverschalung von Bergen mit Solarzellen oder Windparks wird mit der Vorlage nicht zugestimmt. Und wenn ein paar Bergwiesen geopfert werden müssen, ist das ein kleiner Preis für diese Art der Stromgewinnung. Denkt an Tschernobyl und Fukushima. Lieber Windräder und glitzernde Solarzellflächen als IRGENDEINEN Vorfall in einem Atomkraftwerk. Laut Tschernobyl und Fukushima passieren diese Dinge möglicherweise heute, morgen oder nächstes Jahr -nicht erst in 50 Millionen Jahren. Eine sehr geringe statistische Wahrscheinlichkeit nützt in diesem Fall nichts. Dieses Risiko ist auf keinen Fall tragbar.
-Von wegen Stromimporte und Abhängigkeit vom Ausland als Gegenargument: wenn es nur um etwa 10 bis allerhöchstens 30 Prozent (wenn wir alle unsere AKWs auf der Stelle abschalten würden..) des Stroms geht, ist das wirklich so tragisch? Mit der Wasserkraft, die gut wieder auf über 60% gebracht werden kann, sind wir auf jeden Fall grösstenteils unabhängig.

..und damit zum nächsten Gesetzespunkt: Der Bau neuer Atomkraftwerke wird verboten.
Hintergründe zur Technologie: Etwas vereinfacht, ist der entscheidende Stoff fürs AKW Uran. Was viele nicht wissen: Uranerz kommt es in sehr unterschiedlicher Qualität vor, es enthält fast nichts bis zu HÖCHSTENS 0.7% der für AKWs verwendbaren Uranverbindung. Tatsächlich sind die Erzgruben, in denen 0.7-prozentiges Uranerz zu finden ist, bereits ausgeschöpft, und momentan wird Erz mit immer geringerem Urananteil mit immer grösserem Energieaufwand abgebaut. Ab einem Gehalt von 0.02% -und diese Grenze wurde um 2016 erreicht- ist die Technologie von der Energiebilanz her nicht mehr tragbar, da dann mehr Energie ins AKW reingesteckt wird, als während seiner Laufzeit je wieder rauskommen kann. Dazu kommen die bekannten Risiken von Störungen und Unfällen. Und das Entsorgungsproblem nach Stilllegung ist nach wie vor ungelöst.
Zusätzlich bedenkenswert: Das im AKW entstehende Plutonium kann für Massenvernichtungswaffen missbraucht werden. Es handelt sich um eine Kriegstechnologie, die ursprünglich mit dem Ziel der Herstellung von Plutonium für Atomwaffen vorangetrieben wurde.

..bezüglich Verminderung des Energieverbrauchs: Jede Person soll bis 2020 3% weniger Strom verbrauchen, bis 2035 13%.
Die GESAMTENERGIE pro Person soll bis 2020 um 16% gesenkt werden; bis 2035 um 43%.
zu überlegen: Der GESAMTENERGIEverbrauch pro Person sank 2014 zum Beispiel um 8% im Vergleich zum Vorjahr. Einfach so (es war ein warmes Jahr, in dem wenig geheizt wurde.) Die AKWs haben 2015 über 16% weniger Strom produziert als im Vorjahr. Ist niemandem aufgefallen. Fazit: Die Ziele scheinen vernünftig und machbar.

..CO2-Emissionen von Fahrzeugen werden begrenzt.
Überlegungen:
das ist im Zeitalter der absoluten technologischen Machbarkeit von Elektro- und 1-Liter-Auto doch längst überfällig. Nach Belieben mit unmodernen Fahrzeugen rumzudüsen, ist keine Privatsache mehr.

..die Massnahmen zur Finanzierung: Was soll das Ganze kosten, und wie wird es finanziert?
-Energetische Gebäudesanierungen bekommen Steuererleichterungen.
-Die Einspeisevergütungen werden begrenzt/reduziert und enden 2022.
-Wasserkraftwerke, Biomasse- und Photovoltaikanlagen können bis 2030 Investitionsbeiträge bekommen.
-Bestehende Wasserkraftwerke werden unter Umständen 5 Jahre lang finanziell unterstützt.
-Strom wird um 0,8 Rappen pro kWh teurer.
die Zahl dazu:
Wir verbrauchen im Moment um 7000 kWh pro Person und Jahr. Wären also etwa 56 Franken pro Jahr mehr. Und mit dem geplanten verringerten Verbrauch etwa 40 Franken.
Die übrigen obigen Massnahmen scheinen gemässigt, und sind auf jeden Fall begrenzt, zeitlich oder nach Betrag. Sie scheinen daher annehmbar. Aber die Finanzierung ist zugegebenermassen mein Schwachpunkt, ich kann hauptsächlich darauf hinweisen, dass Gegner wie Befürworter es übertrieben haben: 2300 Franken pro vierköpfigem Haushalt kostet es nicht, aber auch nicht nur zehn Franken pro Kopf, sondern etwa vierzig.

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